Montag, 30. September 2013

Geschichten, die nur der Fußball schreibt [SVS - VfL 1:0]


Quelle: Sport1.de
Es liefen die letzten Sekunden des Spiels gegen den VfL Bochum und viele Menschen verließen schon ihre Plätze, um sich in Richtung Stadionausgang zu bewegen. Viele von denen, die nicht gingen, schüttelten über das Unvermögen der Hausherren den Kopf. Unvermögen, weil die Sandhäuser an diesem Sonntagnachmittag zahlreiche, hochkarätige Chancen liegen ließen und sogar einen Elfmeter verschossen, den Sieg und damit die wichtigen drei Punkte praktisch aus der Hand geben würden.
Doch die Fans hatten ihre Rechnung ohne den eingewechselten Nicky Adler gemacht. Der 28-Jährige war erst fünf Minuten zuvor für Stiefler gekommen und versetzte jetzt das Hardtwaldstadion mit seiner Direktabnahme in Ekstase. Es war die letzte Aktion der Partie. Schiedsrichter Patrick Ittrich, der an diesem Tag vor allem durch kleinliche Entscheidungen und überschnelle Gelbe Karten aufgefallen war, pfiff nur kurz danach ab und ließ so die Sandhäuser über drei hochverdiente Punkte jubeln.
„Ich sehe die Chance, treffe den Ball nicht richtig, aber er ist drin,“ lautete die Beschreibung des Torschützen. Adler war in dieser Saison bisher nicht sehr oft zum Zuge gekommen. Er wurde dreimal nur für die Schlussphase eingewechselt. Doch er hat sich nicht aufgegeben, für seine Chance gekämpft und „war sich sogar nicht zu schade in der zweiten Mannschaft zu spielen, wo er in zwei Spielen zweimal das Siegtor erzielte“ wie Geschäftsführer Otmar Schork verriet. So auch an diesem Sonntag. Trainer Schwartz nannte die Einwechslung seines Schützlings „eine Eingebung,“ wäre Adler doch im Training unter der Woche stark vorm Tor gewesen. Im Gegensatz zu den anderen Sandhäusern an diesem Tag.
„Es war zur Halbzeit schon nur eine Frage der Zeit, bis wir treffen, aber, dass es so lange gedauert hat...,“ wunderte sich Adler ebenfalls über das Unvermögen seiner Teamkameraden vor dem Tor.
Julian Schauerte, der in der 76. Minute einen Strafstoß verschoss, meldete sich nach dem Spiel zu Wort und bedankte sich bei seinen Kollegen, die ihm mit dem späten Tor „den Arsch gerettet“ hätten. Der Rechtsverteidiger hatte bisher gegen Cottbus und Nürnberg (2) insgesamt drei Elfmeter in dieser Saison verwandelt, am vierten scheiterte er, vermutlich auch, weil es knapp drei Minuten dauerte, bis VfL-Ersatztorhüter Esser zwischen den Pfosten stand, nachdem Stammkeeper Luther nach seinem Foul an Jovanovic mit Rot vom Platz gestellt wurde.


Quelle: ran.de
Doch auch schon vorher hätten die Hausherren ins gegnerische Tor treffen müssen.
Zum ersten Mal in dieser Saison begann der SV Sandhausen mit zwei Spitzen, Löning durfte also mal wieder von Beginn ran und spielte neben Jovanovic. Kulovits musste für ihn weichen, Linsmayer nahm den Platz des alleinigen Sechsers ein.
Nach kleinen Anfangsschwierigkeiten übernahmen die Schwarz-Weißen nach und nach die Spielkontrolle und erzielten in Person von Löning sogar nach 28 Minuten ein Tor - das aber wegen Abseits nicht gegeben wurde. Kurz darauf (34. Minute) war es wieder Löning, der einen Kopfball von Thiede volley verwertete und so Bochum-Schlussmann Luthe Probleme bereitete. Auch nach fast einer Stunde fand Löning ein weiteres Mal seinen Meister in Luthe. Ulm hatte den Sandhäuser Kapitän in der Spitze angespielt, sodass dieser nur noch Luthe vor sich hatte, der Bochumer blieb aber wieder der Sieger. Am Ende standen 15 Torschüsse für die Sandhäuser zu Buche.
Trotz der miserablen Chancenverwertung, resümierte Trainer Alois Schwartz: „Die zwei Spitzen haben sich bewährt. Wir wollten mehr Druck auf den Gegner ausüben, das ist uns gelungen. Außerdem haben wir uns viele Chancen herausgespielt, das sah gegen Kaiserslautern ganz anders aus.“
Peter Neururer hätte sich von seiner Mannschaft, von der „keiner heute die Normalform erreicht hat,“ in Unterzahl etwas mehr „Cleverness und Abgebrühtheit“ erhofft und gratuliert Sandhausen: „Aufgrund der Summe von Möglichkeiten war die Niederlage verdient.“
Ganz anders waren also die Kräfteverhältnisse als noch im April dieses Jahres. Bochum besiegelte damals den sportlichen Abstieg der Sandhäuser. An diesem Tag war es ganz anders. Zu der Frage, was sich im Vergleich zum letzten Aufeinandertreffen der beiden Mannschaften geändert habe, antwortete Neururer ganz direkt: „Sandhausen war heute eine Klasse besser, wir eine schlechter.“
Sehr auffällig erscheint mit Blick auf die Tabelle, wie ausgeglichen die 2. Bundesliga dieses Jahr ist. Platz 4 und 15 trennen gerade einmal vier Punkte. „Die Leistungsdichte wurde sehr zusammengeschoben“ bestätigte Neururer. Und auch Ulm hob die Ausgeglichenheit der Liga heraus: „Jeden Gegner kann man schlagen, aber auch geschlagen werden.“

An diesem Spieltag gab es von Seiten des Vereins auch eine wichtige Aktion. Die kleine Emily, das Patenkind eines Mitglieds des Sandhäuser Fanclubs „Syndikat 1916“, ist schwerkrank, sie leidet an Krebs und wird den Kampf wohl verlieren. Sie wünscht sich nichts sehnlicher als das Meer zu sehen. Zu diesem Zweck spendete die Mannschaft 1916 Euro und auch das Publikum wurde an diesem Tag zu Spenden gebeten. So sind am Ende vermutlich die 4000 Euro zusammengekommen, die zu dem zweiwöchigen Urlaub auf Teneriffa, gemeinsam mit den Eltern, notwendig waren. „Ihre Geschichte bewegt und berührt uns und ich hoffe, wir haben ihr einen schönen Tag bereitet,“ sagte Schork. Das haben die Sandhäuser tatsächlich gemacht. Nach dem Sieg trug Kapitän Frank Löning die kleine Emily auf dem Arm zu den Fans, wo mehrere hundert Stimmen ihren Namen immer und immer wieder riefen.

Die entscheidende Flanke zum Adler-Tor schlug übrigens Timo Achenbach, dessen Frau zehn Minuten vor Ende der Partie anrief, um Nachricht zu geben, dass das erwartete Kind komme. Sie versprach noch zu warten und Achenbach durfte bis zum Ende spielen - zum Glück, für den SVS. „Das sind Geschichten, die nur der Fußball schreibt,“ verkündete Schwartz feierlich, als er auf der Pressekonferenz den versammelten Journalisten diese Anekdote zum Besten gab.

Samstag, 14. September 2013

„Ein dreckiger 1:0-Sieg.“ [SVS - FCK 1:0]


Für Alois Schwartz war es an diesem Tag ein ganz besonderes Spiel, war er doch insgesamt sieben Jahre bei den Pfälzern als Trainer der U23 und auch als Interimstrainer der ersten Mannschaft tätig. Der jetzige Interimstrainer, Oliver Schäfer, ist auch ein alter bekannter von Schwartz. Von 2007-09 war Schäfer der Co-Trainer von Schwartz bei der Zweiten des FCK. Die beiden sind noch gute Freunde, „während des Spiels setzt die Freundschaft aber aus,“ verriet Schäfer im Vorfeld der Partie. Auch Schwartz sah das ähnlich: „Ich wünsche ihm ein schönes, aber kein erfolgreiches Spiel.“

Obwohl die beiden Innenverteidiger Kister und Schulz eigentlich wieder einsatzbereit gewesen wären, ließ Trainer Schwartz zum dritten Mal in Folge mit der gleichen Formation spielen. Auch der ehemalige Lauterer Linsmayer, der in der vergangenen Transferperiode zu den Sandhäusern wechselte bekam gegen seinen Ex-Club,
wie schon in den drei vorigen Partien, die Chance von Beginn an.

Abstiegskandidat gegen Aufstiegsaspirant hätte als Überschrift für dieses Duell zweier ungleicher Mannschaften verwendet werden können. Auf der einen Seite der große Traditionsverein FC Kaiserslautern, dessen Vereinsführung und Umfeld ihren Verein in der ersten Bundesliga zuhause wissen und dementsprechend dieses Jahr den Aufstieg erwarten, auf der anderen Seite der kleine SV Sandhausen, der letztes Jahr zum ersten Mal in seiner Vereinsgeschichte in der zweiten Liga spielte, sogleich sportlich abstieg und nur wegen des Lizenzentzugs des MSV Duisburg die Klasse hielt.

Quelle: rp-online.de
Kaiserslautern war auch, wie erwartet, von Anfang an das spielbestimmende Team. So hatten die Gäste nach zwei Minuten bereits die ersten Chance durch Zoller, gefolgt von zwei zurecht nicht gegebenen Abseitstreffern von Occean (4. Minute) und Karl (10.). Auch in der Folge ging es meist in Richtung des Sandhäuser Tors, den Lauterern wurden zu viele Räume gelassen. Doch auch die Möglichkeiten durch Occean (15. und 29.) konnten nicht zu Toren umgemünzt werden. Bei den Hausherren ging nicht sehr viel nach vorne, die Offensivaktionen hielten keinerlei Überraschungsmomente bereit. So kam Stiefler, von Jovanovic angespielt, im Strafraum nach 25 Minuten zwar zu Fall, für einen Elfmeter reichte es aber nicht. Nach einer halben Stunde verflachte das Spiel langsam, schuld daran war aber auch der Schiedsrichter. Thorsten Schriever pfiff sehr viel ab und hatte nach 25 Minuten bereits vier Gelbe Karten verteilt (am Ende waren es neun!). So ging es torlos in die Pause. In der ersten Halbzeit sahen die Zuschauer am Hardtwald ein kampfbetontes Spiel, ohne das ganz große Offensivspektakel.

Quelle: rp-online.de
Mit Beginn der zweiten Hälfte brachte Schwartz Löning und Kister für die beiden gelb-rot-Gefährdeten Jovanovic und Kulovits. Kister spielte auf der Innenverteidigerposition, Hübner rückte nach vorne, auf die Sechserposition. Nach drei Minuten war der Einsatz für Kister aber auch schon wieder vorbei. Fortounis traf Kister mit einem Schuss am Handgelenk, Schulz kam für ihn - das Wechselkontingent der Hausherren war nach 50 Minuten also bereits aufgebraucht. In der zweiten Hälfte machten die Spieler auf dem Platz dort weiter, wo sie in der zweiten Halbzeit aufgehört hatten. Viele Fouls, viel Rumpelfußball, viele Standards für den SV Sandhausen, die allerdings alle mit dem Prädikat „völlig ungefährlich“ behaftet werden mussten. 
Ein Höhepunkt war da noch die Einwechslung des letzte Saison in Sandhausen spielenden Wooten, nachdem etwas mehr als eine Stunde gespielt war. Dieser Wooten sorgte zumindest im Ansatz für ein paar Offensivaktionen, in einem Spiel, das auf beiden Seiten an Torgefährlichkeit kaum noch zu unterbieten war.
Als alle Zuschauer im Hardtwaldstadion sich eigentlich schon mit einem torlosen Unentschieden abgefunden hatte, kam die 85. Minute und ein gewisser Frank Löning, der zwar seit dieser Saison als Kapitän auf der Bank sitzt, aber einmal mehr zeigte, dass er in den entscheidenden Momenten da ist. Achenbach war es, der von der linken Strafraumgrenze in die Mitte flankte, Orban, mit dem Versuch zu klären, schoß den heranfliegenden Löning an und der Ball trudelte irgendwie ins Gästetor. Ein kurioses Treffer!
Aber das war egal. Die Lauterer schafften es nicht mehr den ersten Heimsieg der Saison in Gefahr zu bringen, sie befanden sich in einer Art Schockstarre. So blieb es beim 1:0 für die Hausherren, die nach 1860 München am letzten Spieltag jetzt schon den zweiten Hochkaräter in Folge abfertigten.

Es war wirklich ein schwaches Spiel, in dem der SV Sandhauen eigentlich keine richtige Torchance hatte, bis auf diese eine eben, die dann auch genutzt wurde. Das ist auch eine Qualität, die die Sandhäuser vor kurzem noch vermissen ließen.
Wie sagte Schwartz so passend: „Das war ein dreckiger 1:0-Sieg, aber es geht Treppchen für Treppchen nach oben.“ Stimmt, auch in der Tabelle nahmen die Sandhäuser nach dem Sieg einige Stufen aufwärts. Vor den Sonntagspartien rangiert der SVS mit neun Punkten auf Platz 9. Und das nur ein Punkt hinter dem „großen FCK.“


SV Sandhausen: Riemann - Schauerte, Olajengbesi, Hübner, Achenbach - Linsmayer, Kulovits (46. Kister (52. Schulz)) - Stiefler, Ulm, Thiede - Jovanovic (46. Löning)

FC Kaiserslautern: Sippel - Matmour, Orban, Heintz, Löwe - Karl, Ring - Fortounis (62. Wooten), Gaus (87. Drazan) - Occean (81. Jenssen), Zoller

Tor: 1:0 Löning (85.), Schiedsrichter: Thorsten Schriever, Zuschauer: 9500